Kommentar zu Ticketsperren in U-Bahn-Stationen

Warum die Wiener U-Bahn keine Zugangssperren braucht und das derzeitige offene System vernünftig ist.
Immer wieder wird seitens einzelner Medien oder Politikerinnen und Politiker die Forderung eingebracht, an den Ein- und Ausgängen der Wiener U-Bahn Zugangssperren einzubauen, die sich mit gültigem Fahrschein öffnen. Dies sei der Sicherheit förderlich und senke die Kosten, heißt es dann oft.
Wie sinnvoll sind derartige Sperren aber wirklich? 10 Argumente für den Beibehalt der jetzigen Lösung:

  1. Es gäbe aller Voraussicht nach keine Personalkosteneinsparungen. Im Gegenteil, weil in jeder Station dann mindestens eine Aufsichtsperson im Falle fehlerhafter Sperren anwesend sein sollte.
  2. Kontrollorinnen und Kontrollore wären weiterhin notwendig: Für das Straßenbahn- und Busnetz einerseits, weil es dort keine Sperren gibt, und andererseits zur Kontrolle, dass die Sperren nicht unerlaubt umgangen werden. Auch in Städten mit flächendeckenden Sperren wie London gibt es in den U-Bahn-Zügen Kontrollpersonal, das stichprobenartig die Fahrscheine kontrolliert.
  3. Die Kosten für die Anschaffung der Sperren und die Adaptierungen der Stationen sind nicht zu unterschätzen. Selbiges gilt für die Kosten für Betrieb und Wartung der Sperren, welche mitunter recht störungsanfällig sein können.
  4. In den Stoßzeiten bilden sich vor Sperren sehr schnell Warteschlangen, was einerseits zu einer Zeitverzögerung für die Fahrgäste führen kann und mancherorts aufgrund der dadurch benötigten Auffangräume, etwa nach Rolltreppen, bauliche Maßnahmen erfordern würde. Unkundige Personen und Fahrgäste mit Gepäck benötigen oft noch weitere, zusätzliche Zeit.
  5. Dass mehr Fahrscheine verkauft würden, ist sehr fraglich. Schon jetzt ist der Prozentsatz von mitfahrenden Personen ohne Fahrschein aufgrund hoher Strafen sehr gering. Gewissen Annahmen zufolge führen schwarzfahrende Personen dann zu einem Teil weiterhin schwarz - wie in Paris, wo das Springen über die Sperren immer wieder beobachtet werden kann - oder teilweise gar nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
  6. Die Sicherheit stiege wohl kaum. Der Kauf eines Fahrscheins wäre für (Klein-)Kriminelle vermutlich keine große Hürde und selbst wenn doch, würde das Problem dadurch nur verlagert.
  7. Es gibt derzeit überhaupt kein spezifisches Sicherheitsproblem in der Wiener U-Bahn.
  8. Das bisherige System hat sich bewährt.
  9. Die dadurch verbundene Einführung von zumindest teilweise personalisierten E-Tickets erschwert Fahrgästen eine datensparsame Öffinutzung und kann zu einem Eingriff in die Privatsphäre führen. Es erhöht die Wahrsscheinlichkeit, dass sodann bei Zeitkarten für jede Fahrt Start- und Zielhaltestelle kombiniert mit Zeitstempel erhoben und zugeordnet werden, und besteht auch bei großer Sorgfalt die Gefahr, dass solche Daten in falsche Hände kommen oder im Zuge geänderter politischer Entwicklungen entgegen den ursprünglichen Intentionen verwendet werden.
  10. Geschlossene Systeme bei öffentlichen Verkehrsmitteln bewähren sich keineswegs immer. In Wien wurden Zugangskontrollen bei den S-Bahn-Stationen schon vor Jahrzehnten abgeschafft. Auch in Brüssel waren die relativ neuen Sperren für längere Zeit außer Betrieb. Und in London und Amsterdam sind die Sperren vieler Stationen, vor allem in Außenbezirken, abends oder frühmorgens (aus Personalspargründen?) oft geöffnet, was die Effektivität des ganzen Systems drastisch senkt.